Neuanfang in Berlin: Geflüchtete gründen Unternehmen

Neuanfang in Berlin: Geflüchtete gründen Unternehmen

Abdulkader Shook – Parfumeur aus Aleppo / Syrien

In Aleppo hatte Abdulkader Shook ein gut gehendes Geschäft. Er stellte traditionelle Parfum aus erlesenen Duftessenzen her. Nicht nur Einheimische kauften bei ihm. Die Lage des Ladens nahe der berühmten Zitadelle zog auch viele Touristen an. Doch dann kam der Krieg und die Bomben zerstörten sein Haus, sein Geschäft und damit seine ganze Lebensgrundlage. Mit seiner Frau und den drei Kindern flüchtete Abdulkader Shook vor dem Krieg aus Syrien und gelangte schließlich nach Berlin.

Abdulkader Shook

Parfumeur Abdulkader Shook (46)

Hier versucht er beruflich nun neu Fuß zu fassen und ein Gewerbe aufzubauen. Hilfreich sind dabei seine alten Kundenkontakte. Viele seiner einstigen Lieferanten und Geschäftskunden aus Syrien sind inzwischen ebenfalls ins Ausland emigriert, oftmals in Länder der EU.

Abdulkader Shooks Geschäft in einer La

2010: Abdulkader Shooks Geschäft in einer Ladenzeile nahe der Zitadelle von Aleppo (Der weiße Lieferwagen steht davor.)

Im Krieg zerstörtes Geschäft

2014: Im Kampf zwischen Regierungtruppen und Freischärlern wurde die gesamte Ladenzeile zerbombt. (Der weiße Lieferwagen ist noch immer da, aber ebenfalls zerstört.)

Abdulkader Shook kam über das Projekt LOK.STARTupCAMP international zu im November 2017 erstmals zu mir in die Beratung. Nach einer Unterbrechung von mehreren Monaten, in denen der Gründer einen Fachsprachkurs „Deutsch für Dienstleister“ besuchte und ein dreimonatiges Praktikum in einer großen Berliner Parfümerie  machte, wurde das Gründercoaching im April 2018 wieder aufgenommen.

Am 1.6.2018 hat Abdulkader Shook sein Gewerbe angemeldet. Anders als ursprünglich geplant, hat er kein aber Einzelhandelgeschäft eröffnet. Stattdessen nutzt sein Netzwerk aus Lieferanten und Großkunden im In- und Ausland. Er beliefert Geschäfte direkt mit traditionellen orientalischen Parfums, Parfumessenzen und traditionell hergestellten Seifen.  Ganz praktische Unterstützung bietet ihm dabei eine alteingesessene inhabergeführten Parfümerie in Berlin.

Innerhalb von nur sechs Monaten konnte sich Herr Shook einen Pool aus 15 gewerblichen Abnehmern im In- und Ausland aufbauen und sein kleines Handelsgewerbe schrieb rasch „schwarze Zahlen“.

Was hat das Gründercoaching gebracht?

Abdulkader Shook: Zunächst einmal danke ich der IHK Berlin und der LOK.a.MOTION GmbH. Hier wurden mir wichtige Basiskenntnisse zur Selbstständigkeit in Deutschland vermittelt. Mit Frau Orthwein habe ich dann gemeinsam meinen Businessplan entwickelt und meine Selbstständigkeit gestartet. Ihre Fachexpertise hat mir dabei sehr geholfen. Gut fand ich auch die genaue Planung der Coachingtermine. So kam ich langsam, aber sicher, Schritt für Schritt voran. Die Idee mit dem eigenen Laden musste ich leider erst einmal aufgeben. Aber vielleicht ergibt sich in Zukunft etwas, wenn mein Geschäft noch besser gewachsen ist. Aktuell arbeite ich an meinem Internetauftritt. So kann ich bekannter werden und immer neue Kunden finden.

Die Meinung der Beraterin

Ilona Orthwein: Viele Geflüchtete haben sowohl das Potenzial als auch den starken Wunsch in der neuen Heimat ein Unternehmen zu gründen. In ihrem Herkunftsländern ist berufliche Selbstständigkeit etwas viel Normaleres als bei uns. Frauen und Männer, die Angebote wahrnehmen, wie sie vom  LOK.STARTupCAMP international oder dem Projekt Start-up Your Future der DHIK angeboten werden, haben meistens schon Erfahrungen als Unternehmer*innen. Manche waren jahrzehntelang selbstständig und können sich gar nicht vorstellen, irgendwo als Angestellte zu arbeiten.  Leider stoßen die Geflüchteten auf dem Weg in die Selbstständigkeit immer wieder auf Hürden. Da ihre Aufenthaltstitel nur im 1-3 Jahresrhythmus verlängert werden, ist der z. B. Abschluss von Verträgen mit längerer Laufzeit ein großes Problem. Das begegnet uns bei Gewerbemietverträgen oder Darlehensverträgen.

Zudem muss man sehen, dass die Geflüchteten überwiegend aus Ländern mit sozio-ökonomischen Gegebenheiten kommen, welche sich von den hiesigen fundamental unterscheiden. Das müssen die Neubürger erst einmal begreifen. In Syrien z. B. gibt bzw. gab es viele kleine Einzelhandelsgeschäfte. Viele handwerkliche Familienbetriebe und kleine Dienstleister fanden dort vor dem Krieg ein gutes Auskommen. Das ist vergleichbar mit Deutschland in den 1950er bis 1970er Jahren. Hier treffen diese Gründer nun auf gesättigte Konsumentenmärkte, zahlreiche Konkurrenten und viel Bürokratie. Unsere Aufgabe als Berater*innen ist es, sie mit den veränderten Marktgegebenheit vertraut zu machen und Lösungen zu finden.


Wenn berufliche Integration von Geflüchteten gelingen soll…

… gilt es, neue Chancen auszuloten und alte Denkmuster aufzubrechen. Die Gründer*innen mit Fluchthintergrund bringen oft große Potenziale für eine erfolgreiche Selbstständigkeit mit, die man im Coaching allerdings erst einmal freilegen muss. Bei Abdulkader Shook waren es zum Beispiel seine unternehmerische Erfahrung, sein weit über die Grenzen der Heimat hinaus bekannter guter Ruf als Parfumeur und ein großes geschäftliches Kontaktnetzwerk, auf dem er aufbauen konnte.

Über den Autor

Ilona Orthwein administrator

Kauffrau und Sozialwissenschaftlerin (M.A.), über 12 Jahre im internationalen Bankgeschäft tätig, seit 2003 Inhaberin der "Ilona Orthwein Unternehmens- und Organisationsberatung", Finanzierungs-, Digitalisierungs- und Crowdfunding-Expertin, tätig für diverse Beratungsförderprogramme, Referentin und Autorin von Fachpublikationen.

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