Inkassorechtsreform

Inkassorechtsreform

Neues Inkassorecht ist zum 01.10.2021 in Kraft getreten

Das Problem mit den offenen Rechnungen

Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Rechnungen nicht bezahlen. Manchmal ist es schlichtweg Vergesslichkeit – oft als Folge von Prokrastination. Dieses Problem können Gläubiger meist mit einer freundlichen Erinnerung lösen. Zuweilen liegt es jedoch auch daran, dass Schuldner einen finanziellen Engpass haben.  Vielleicht sind sie knapp bei Kasse, weil ihre Kunden sie auf Geld warten lassen oder die Auftragslage schlecht ist. Es gibt natürlich auch Schuldner, die regelrecht darauf spekulieren, dass eine Forderung vergessen bzw. nicht rechtzeitig eingetrieben wird.

Offene Forderungen verjähren bekanntlich innerhalb von drei Jahren jeweils zum 31.12. e. J. Am 31.12.2021 24:00 Uhr wäre also eine Forderung aus dem Mai 2018 verjährt, wenn nichts unternommen wurde, was die Verjährung aufhebt, wie z. B. ein Mahnbescheid. Insofern sollten Gläubiger regelmäßig ihre Außenstände prüfen und ggf. ein rechtzeitiges Mahnverfahren einleiten. Mehr dazu finden Sie u. a. auf der Website der IHK Darmstadt.

Weitere Tipps zum Forderungsmanagement finden Sie auch auf unserer Website:

Was tun, wenn der Kunde nicht zahlt?

Inkassowesen neu geordnet

Dem gerichtlichen Mahnverfahren wird oft ein vorgerichtliches Inkassoverfahren. Die Gebühren, die die etwa 2.000 in Deutschland tätigen Inkassodienstleister sowie die Rechtsanwälte für ihre Dienste berechnen, sind immer wieder Anlass für Aufregung. Verbraucherschützer empfinden die Inkassokosten insbesondere bei sehr kleinen Gegenstandswerten im Verhältnis zum Aufwand und zu der zugrunde liegenden Forderung als zu hoch.

Zum 01.10.2021 sind neue Regelungen zum Inkasso in Kraft getreten, die säumige Zahler in einigen Punkten entlasten, zugleich aber auch grundlegende Veränderungen in der Inkassobranche auslösen werden.

Grundsätzlich sind für die Inkassogebühren gesetzliche Höchstgrenzen vorgeschrieben und in sogenannte Gebührensätze eingeteilt. So kann eine Gebühr sowohl einmalig, mehrfach oder auch anteilig anfallen. Daraus ergeben sich Gebührensätze wie etwa 1,0 oder 0,3.

Bei einer nicht bestrittenen Forderungen gilt künftig ein Gebührensatz von 0,9. Zahlt der Schuldner auf eine erste Aufforderung, schrumpft der Satz auf 0,5. Konkret sind das bei Forderungen bis 500 Euro bei rascher Zahlung lediglich 24,50 Euro fällig. Bei einer neu eingeführten Wertstufe für Kleinforderungen bis 50 Euro gilt zudem eine 1,0-Geschäftsgebühr von 30 Euro (statt 49 Euro). Da die Regelgebühr jedoch auf 0,9 abgesenkt wird, sind nur 27 Euro und bei Sofortzahlung lediglich 15 Euro fällig.

Manchmal beauftragen Gläubiger sowohl ein Inkassounternehmen als auch einen Rechtsanwalt. Beide setzen dann in der Regel auch ihre Kosten mit auf die Gesamtrechnung des Schuldners. Letzterer soll künftig vor einer solchen doppelten Abrechnung bewahrt werden. Gebührentechnisch macht es nun keinerlei Unterschied, ob ein Anwalt oder ein Inkassodienstleister beauftragt wird. Der Schuldner trägt nur einmal Kosten bei Doppelauftrag an Inkassodienstleister und Anwalt. Alle außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten werden in der Höhe verlangt, als wenn nur der Anwalt tätig geworden wäre.

Das gilt nur in einem Ausnahmefall nicht: Der Schuldner bestreitet die Forderung nach Beauftragung des Inkassodienstleisters, was dann Anlass für die nachfolgende Anwaltsbeauftragung ist (§ 13c RDG-E). Hier fallen weiter beide Kosten an.

Neue Hinweispflichten bei Zahlungsvereinbarungen

Vor Abschluss einer Zahlungsvereinbarung soll künftig auf die damit verbundenen Kosten, insbesondere die zusätzlich entstehende Einigungsgebühr hingewiesen werden (§ 13a Abs. 3 RDG-E, § 43d Abs. 3 BRAO-E).

Meist wird eine Zahlungsvereinbarung mit einem Schuldanerkenntnis kombiniert, das neben der Hauptforderung auch alle Nebenforderungen und Zinsen erfasst. Hier will der Gesetzgeber, dass die Schuldner darüber aufgeklärt werden, welche Teile der Forderung vom Schuldanerkenntnis erfasst werden und welche typischen Einreden/Einwendungen nicht mehr geltend gemacht werden können (z.B. Nichtbestehen, Erfüllung, Verjährung (§ 13a Abs. 4 RDG-E, § 43d Abs.3 BRAO-E).

Information an potentielle Opfer von Identitätsdiebstählen

Muss die aktuelle Adresse des Schuldners vom Anwalt/Inkassounternehmen erst ermittelt werden, birgt dies, so zeigt es die Praxis, ein Verwechslungsrisko. Deshalb soll in diesen Fällen eine Aufklärung im ersten Aufforderungsschreiben erfolgen:

  • zum einen darüber, dass eine Adressermittlung vorausgegangen ist,
  • zum anderen, welche Möglichkeiten bestehen, falls der Schuldner tatsächlich Opfer einer Verwechslung geworden ist (§ 13e Abs. 1 Nr. 7 RDG-E, § 43d Abs. 1 Nr. 7 BRAO-E).

Wer kann als Inkassodienstleister tätig werden?

In einem meiner frühren Blogs wurde an mich mehrfach die Frage gerichtet, wer als Inkassodienstleister tätig werden könne. Inkassodienstleister, die keine Rechtsanwälte sind, müssen sich nach Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfung registrieren lassen (§ 10 RDG-E). Das war schon früher so. Wann aber eine Eignung/Zuverlässigkeit i.d.R. zu versagen ist, ging aus dem Gesetz bislang nicht vor. Mit der Novellierung soll dies nachgeholt werden (§ 12 RDG-E).

Mit der Gesetzesänderung endet aber auch die Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern gegenüber Anwälten. Bis Mitte 2008 durften Inkassodienstleister nur außergerichtlich tätig werden. Das änderte sich zum 1. Juli 2008 – mit der Einschränkung, dass sie für ihre Dienste im gerichtlichen Mahnverfahren nur pauschal 25 Euro abrechnen, Rechtsanwälte dagegen eine 1,5-Gebühr plus eine Post- und Kommunikationspauschale beanspruchen konnten. Die vorgerichtlichen Gebühren wurden bereits 2013 angeglichen. Nun folgt die Angleichung auch im gerichtlichen Mahnverfahren.

 

Über den Autor

Ilona Orthwein administrator

Kauffrau und Sozialwissenschaftlerin (M.A.), über 12 Jahre im internationalen Bankgeschäft tätig, seit 2003 Inhaberin der "Ilona Orthwein Unternehmens- und Organisationsberatung", Finanzierungs-, Digitalisierungs- und Crowdfunding-Expertin, tätig für diverse Beratungsförderprogramme, Referentin und Autorin von Fachpublikationen.

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